Tut dort etwas, wo der Schrei des Lebens zu hören ist

Tanja Wagener

Tanja Wagener

Heute wurde der Sozialpreis 2014 der Katholischen Sozialstiftung Siegen-Wittgenstein verliehen. Lesen Sie hier die Laudatio von Stiftungsrätin Tanja Wagener:

„‘Tut dort etwas, wo der Schrei des Lebens zu hören ist‘ … das, sehr geehrte Damen und Herren, ist das Zitat von Papst Franziskus, das Sie in Ihrer Einladung zu dieser Veranstaltung gelesen haben. Ein wie ich finde sehr passendes Zitat für die nun anstehende Preisverleihung.

Die Katholische Sozialstiftung Siegen-Wittgenstein verleiht den Katholischen Sozialpreis für herausragendes soziales Engagement zum dritten Mal. Ausgezeichnet werdenjeweils Personen oder Organisationen, die sich mit der besonderen Situation notleidender oder sozial benachteiligter Menschen in unserer Region beschäftigen.

Alleinstehende ältere Menschen, Kinder und Jugendliche, die in problematischen Umständen aufwachsen, langzeitarbeitslose Menschen mit körperlichen oder seelischen Gebrechen; das sind die Menschen, für die sich unsere diesjährigen Bewerberinnen und Bewerber für den Sozialpreis 2014 besonders einsetzen.

Sie, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, merken:

Alle Bewerber sind dort aktiv, „wo der Schrei des Lebens zu hören ist“.

Vor mehreren Wochen hat der Stiftungsrat getagt, um die diesjährigen Preisträger festzulegen. Bewerbungsunterlagen hatten wir zuvor erhalten, alle Bewerberinnen und Bewerber für den Stiftungspreis haben uns im Viertelstunden-Rhythmus ihre Projekte vorgestellt, uns Rede und Antwort gestanden.

Und ich kann Ihnen, Frau Gattwinkel, Frau Lottmann, Frau Müller, Frau Hagelauer, Frau Schlüter und Herr Kahrmann versichern: Sie haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht.

Beworben haben sich u.a.

  • der Bezirksverband Olpe-Siegen der Katholischen Arbeitnehmerbewegung mit dem Projekt ¨Stell mich an, nicht ab¨
  • das Projektbüro des Caritasverbands Siegen-Wittgenstein auf dem Heckersberg in Dreis-Tiefenbach mit der Häkel- und Handarbeitsgruppe für Mädchen im Grundschulalter
  • das Projekt „Zeitpaten“ des Bezirksverbands der Siegerländer Frauenhilfen, eine protestantische Initiative
  • die Caritaskonferenzen im Pastoralverbund Südliches Siegerland. „Urlaub ohne Koffer – und im Handgepäck nichts als gute Laune“
  • das Projekt „Smily Kids“ des Kreuzbundes in der Erzdiözese Paderborn, Gruppe Altenhundem

Uns war danach klar: Alle Initiativen haben es verdient, diesen Preis zu bekommen.

Daher haben wir uns nach eingehender Beratung im Stiftungsrat entschieden, den Preis aufzuteilen: Wir werden hier gleich zwei dritte Preise, zwei zweite Preise und einen ersten Preis verleihen. Die dritten Preise sind jeweils mit 1.000 € dotiert, die beiden zweiten Preise mit je 2.000 € und der erste Preis mit 4.000 €.

Als Mitglied des Stiftungsrates ist es mir eine Ehre und eine Freude, Ihnen jetzt die Preisträger vorstellen zu dürfen. Ich beginne mit den beiden dritten Preisen:

Die beiden dritten Preise gehen dieses Jahr

an das Ketteler-Cardijn-Werk der Kath. Arbeitnehmerbewegung (KAB) im Bezirksverband Siegen-Olpe für das Projekt „Stell mich an, nicht ab“

und

die Häkel- und Handarbeitsgruppe für Mädchen im Grundschulalter des Caritasverbands Siegen-Wittgenstein, Projektbüro Dreis-Tiefenbach, Heckersberg.

Sehr geehrte Damen und Herren,

bestimmt haben auch Sie schon einmal die Kleidercontainer des Ketteler-Cardijn-Werks gesehen. Aber wussten Sie, dass mit den Erlösen aus der Altkleiderverwertung Langzeitarbeitslosen mit körperlichen und seelischen Gebrechen bei der beruflichen Reintegration in den Arbeitsmarkt geholfen wird?

„Stell mich an, nicht ab!“…. Das ist die Aufforderung, diesen Menschen, die nur sehr schwer auf dem regulären Arbeitsmarkt Beschäftigung finden, zu helfen.

Eine Hilfe, die der Stiftungsrat für preiswürdig gehalten hat: Der dritte Preis für das Ketteler-Cardijn-Werk, herzlichen Glückwunsch.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich gebe offen zu, der „Trend Häkeln und Handarbeiten“ ist an mir persönlich komplett vorbeigegangen. Nicht so an Frau Hagelauer vom Caritasverband Siegen-Wittgenstein und das ist auch gut so. Denn in ihrer Häkel- und Handarbeitsgruppe für Mädchen im Grundschulalter treffen sich einmal pro Woche 4-5 Mädchen im Alter von 8-13 Jahren aus sozial schwachen Familien zum gemeinsamen Häkeln.
Ziel ist es,die soziale Kompetenz der Kinder und das Miteinander in der Gruppe zu stärken, Motorik und Kreativität zu entwickeln, aber auch Durchhaltevermögen und zielgerichtetes Arbeiten zu erlernen.

Eine einfache, neue, aber auch erfolgreiche Idee, die wir vom Stiftungsrat gerne unterstützen möchten. Frau Hagelauer, herzlichen Glückwunsch zum dritten Preis!

Kommen wir zu den beiden zweiten Preisen:

Bereits seit 2008 vermittelt das Projekt „Zeitpaten“ des Bezirksverbandes der Siegerländer Frauenhilfen Patenschaften zwischen je einem Erwachsenen und einem Kind für mindestens ein Jahr.

Der Pate bzw. die Patin und das Kind treffen sich regelmäßig ca. einmal die Woche und schenken sich Zeit, Verlässlichkeit und Vertrauen. Negative Folgen sich auflösender familiärer Strukturen werden abgefedert, zusätzliche Beziehungen aufgebaut, die Halt geben, soziale Kompetenzen fördern, die Kinder stärken.

Ich freue mich übrigens sehr, dass mit den „Zeitpaten“ auch ein evangelisches Projekt unter den Preisträgern des Katholischen Sozialpreises 2014 ist. Das ist doch Ausdruck einer funktionierenden und gelebten Ökumene in unserer Region. So sollte das sein!

Sehr geehrte Frau Müller, herzlichen Glückwunsch zum zweiten Preis!

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

„Urlaub ohne Koffer – und im Handgepäck nichts als gute Laune“ – wer bekommt bei dem Motto nicht Lust zu verreisen? Die Caritaskonferenzen im Pastoralverbund Südliches Siegerland haben diesen zweitägigen „Urlaub“ für bewegungseingeschränkte ältere und alleinstehende Seniorinnen und Senioren organisiert.

Von zu Hause abgeholt ging es für die „Urlauber“ aus dem Südsiegerland hoch zur Tagespflegestätte der Caritas auf der Eremitage. Ein buntes Programm mit gemeinsamen Backen, Singen, einem Ausflug zur Autobahnkirche, aber auch Gespräche wurde geboten, die Menschen so aus ihrer Vereinsamung geholt, ihnen die Gelegenheit zur Gemeinsamkeit und Kommunikation gegeben.

Eine Aktion mit erheblichem auch logistischem Aufwand, für das wir vom Stiftungsrat uns nicht nur eine Wiederholung, sondern auch Nachahmerprojekte in anderen Bereichen des Siegerlandes wünschen.

Unser Glückwunsch zum ebenfalls zweiten Preis und 2.000 € geht an Frau Lottmann stellvertretend für die Caritaskonferenzen im Pastoralverbund Südl. Siegerland für das Projekt „Urlaub ohne Koffer – und im Handgepäck nichts als gute Laune“.

Und nun, sehr geehrte Damen und Herren, wird es besonders feierlich. Ich komme zur Vorstellung des Projektes, das in diesem Jahr mit dem ersten Preis ausgezeichnet wird.

Ich kann Ihnen dieses Projekt nicht darstellen, ohne Ihnen zugleich eine Frau vorzustellen, die uns alle im Stiftungsrat tief beeindruckt hat. Eine Frau, die ihre eigenen belastenden Erfahrungen nutzt, um besonders hilfsbedürftigen Menschen zu helfen: Kindern, die in Familien aufwachsen, in denen ein Elternteil drogensüchtig, meist „nass“, also alkoholkrank, ist.

Der erste Preis des katholischen Sozialpreises 2014 geht an das Projekt „Smily Kids“ des Kreuzbundes DV Paderborn e.V. in Kirchhundem, er geht an Frau Christa Gattwinkel, die Leiterin des Projektes.

Sehr geehrte Damen und Herren,

nur schwer können wir uns vorstellen, wie sehr Kinder, die zu Hause mit betrunkenen Vätern oder Müttern, mit drogenkranken Menschen zusammen leben, leiden.
Angst, Scham, Traurigkeit, Einsamkeit, die Scheu, innerhalb der Familie, aber auch mit Außenstehenden zu sprechen, Angst vor Unverständnis oder gar blöder Anmache.

„Kinder leiden leise“ – das sagte Sie, Frau Gattwinkel, bei der Vorstellung Ihres Projektes und Sie wissen, von welchem Leid Sie reden: Ihr Mann war viele Jahre alkoholkrank.

Aus dieser Erfahrung heraus haben Sie die „Smily Kids“ gegründet. „Smiliy Kids“ – das ist eine Gruppe für suchtbelastete Familien in Altenhundem. Auf den Tag gestern ist „Smily Kids“ 18 Jahre alt geworden. 1996 wurde die erste Gruppe gegründet, mittlerweile gibt es 4. Ca. 17 Kinder treffen sich in dieser Gruppe jeweils einmal im Monat, um getrennt von den Eltern über ihre Sorgen und Ängste zu sprechen. Die Gespräche unterliegen der Schweigepflicht. Nach jedem Reden folgt bei den Kindern eine Fantasiereise, eine Geschichte, über die auch wieder gesprochen wird.
Nach einer Pause zur Stärkung, kommen die Eltern hinzu. Mit ihnen können direkt Probleme bei den Kindern besprochen werden, ohne die Schweigepflicht zu brechen.

Das Projekt zielt insbesondere darauf, eine soziale Ausgrenzung von Kindern aus suchbelasteten Familien zu verhindern. Die Kinder sollen Schuldgefühle abladen können, sie haben eine Anlaufstelle (auch bei einem Rückfall, bei Krankheit oder gar Tod). Es gilt, beide – Kinder und Eltern – gegenüber der Gesellschaft wieder stark zu machen.

Sehr geehrte Frau Gattwinkel,
Ihr Projekt, Ihr Engagement hat sich rumgesprochen, auch aus dem Siegerland kommen Kinder und ihre Eltern zu Ihnen in die Gruppe, um Hilfe zu finden. Sie arbeiten mittlerweile mit Kindergärtnerinnen und Erwachsenenbetreuern zusammen.

Uns hat besonders beeindruckt, wie Sie Ihre ganz eigenen, schwierigen Erfahrungen in Kraft und Engagement umsetzen, um diesen Kindern aus suchtbelasteten Familien zu helfen. Gerade aufgrund ihrer eigenen Geschichte finden Sie einen besonderen Zugang zu den Kindern, können Sie ihnen besonders gut helfen.

Deshalb hat der Stiftungsrat hat die „Smily Kids“ auf Platz 1 gewählt.

Wir wünschen uns, dass Sie, Frau Gattwinkel, Ihr Engagement fortsetzen und den Kindern helfen, so dass auch sie wieder lachen und wirklich Kind sein können.

Ich gratuliere Ihnen im Namen des gesamten Stiftungsrates von Herzen zum Gewinn des Katholischen Sozialpreises 2014!“